Freitag, 7. November 2025
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    „Mich packen immer die kleinen Momente”

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    Vom Hobby in der Kindheit über Malkurse und den BA in Illustration bis zur Berufung, diesen Weg hat die Künstlerin Marlen Schulz aus Klein Borstel genommen. Es hat sich gelohnt, finden wir in der HAMBURG WOMAN-Redaktion, weil ihre filigranen Bilder so eine besondere Ruhe und Leichtigkeit ausstrahlen. Dafür gab es auch schon Preise! Marlen Schulz mache „im Grunde moderne Malerei, wie sie es seit dem Impressionismus gibt. Das nämlich etwas Beiläufiges, etwas Flüchtiges, etwas Vorübergehendes festgehalten wird“, sagte der Kunsthistoriker Dr. Thomas Gädeke im Rahmen einer Ausstellungseröffnung in Hamburg. Neugierig geworden? Einige ihrer Bilder sind am 8. und 9. November auf dem HAMBURGER KUNSTSALON zu sehen.

    Hamburg Woman: Wann und wie haben Sie gemerkt, dass Kunst Ihre Leidenschaft ist? 
    Marlen Schulz: Gefühlt habe ich schon immer gemalt, saß ich doch noch als Teenager mit Stift oder Pinsel in der Hand, wenn alle um mich herum dieses Hobby mit ihrer Kindheit hinter sich gelassen hatten. Aber mein Schlüsselerlebnis und der Grund für mein „spätes“ Kunststudium, war ein 3-wöchiger Malereikurs des Pentiments der HAW hier in Hamburg, als Mid 30-Jährige. 
    Ich habe schon immer gemalt, aber dann nach der Schule, nach dem Studium, nach dem Job – immer an zweiter Position. Bis zum besagtem Malereikurs. Drei Wochen am Stück malen. In der Mitte der Zeit wurde ich sehr traurig, bis mir klar wurde, es war, weil es bald vorbei war. 
    Ich habe mich dann für ein Illustrationsstudium an der HAW beworben. Bei meiner ersten Bewerbung war meine Bewerbungsmappe in der Ausstellung, aber ich bin durch die Prüfung gefallen. Das war ein kleiner Weltuntergang. Ich habe es dann das Jahr darauf nochmal versucht und es hat geklappt – die Mappe und der Eignungstest. Und mit der Schule kamen dann die ersten Ausstellungsmöglichkeiten in der Hamburger Handelskammer, in der Galerie im Grand Elysée und während der Addart, wo ich in diesem Jahr wieder teilnehmen darf.

    „Meine Kunst ist wie mein persönliches Tagebuch der kleinen, lebenswerten Momente“, sagt Marlen Schulz über sich selbst. Das kommt an, so erhielt sie beispielsweise 2023 den  City Kunstpreis Hamburg der Carolina D’Amico Stiftung © Helge Mundt Hamburg

    Wenn man Ihre Werke der letzten Jahre betrachtet, scheint es, als habe sich Ihr Stil sehr gefestigt. Haben Sie einen Tipp für Künstler*innen, die ihren eigenen Stil finden wollen? 
    Ich habe nie nach einem Stil gesucht, sondern gemacht, ausprobiert und wirklich nicht viel darüber nachgedacht. Die Malerei ist bei mir mindestens 90% reine Bauchsache. Es muss in meinen Fingern kribbeln, dann habe ich schon mal das Motiv. Für manche Ausstellungsführungen oder Interviews muss ich mir Gedanken machen, was ich erzähle. Dann ist der Zeitpunkt, dass ich mich kritisch mit mir und meinen Bildern und Motiven auseinandersetze. Ich schaue mir viel von mir an und dann fallen mir einige Dinge auf, die ich unterbewusst oder zumindest nicht mit reiner Absicht gemacht habe. Was mich bewegt, mir gefällt. So habe ich entdeckt, dass ich Kontraste mag, Linie zu Fläche, deckend zu lasierend, grell zu matt, eine gewisse Offenheit und etwas Flüchtiges im Bild, aber auch im Motiv. Kleine, stille Momente mit Personen oder in der Natur – und im Kontrast manchmal doch sehr laute Farben dazu. 
    Einen Tipp zu geben ist schwierig. Ich glaube, jeder muss in sich reinfühlen und machen, was er für richtig hält und was ihm guttut. Man könnte sich ein bis zwei Personen suchen, die einem Ratschläge geben. Bei mir war es mein Malereiprofessor Prof. Christian Hahn und 2-3 Personen in meinem direkten Umfeld. Ich habe nicht immer alles umgesetzt. Das geht nicht. Über manche Tipps habe ich etwas gegrübelt und sie erst einige Monate später verstanden. Viele habe ich vergessen. Ich glaube, man kann da nichts erzwingen. Irgendwie muss es doch aus sich selbst kommen.

    Ihre Bilder scheinen oft alltägliche Momente einzufangen. Warum? Was wollen Sie mit Ihrer Kunst ausdrücken? 
    Ja, das stimmt. Irgendwie packen mich immer die kleinen Momente. Ein Blick, der in sich gekehrt ist, ist eine Sache, die ich immer wieder toll finde und immer wieder male. Eine Person vor mir, die gar nicht richtig hier ist, aber auch gar nicht richtig woanders. Ich denke, dass kleine Dinge erst unser Leben lebenswert machen und das täglich. Ein Lächeln, eine Träumerei, der Strand, Personen, die ich mag, eine tolle Geste oder Haltung – irgendein Kleinstereignis, das in mir ganz viel auslöst. Diese Dinge möchte ich festhalten. Vielleicht auch, um nicht zu vergessen, sich über kleine Dinge zu freuen. 
    Ich habe einmal vom Hamburger Fernsehturm malen dürfen. Jedes Mal, wenn ich ihn jetzt sehe, freue ich mich. Oder in Schottland habe ich einen Verkehrskegel gemalt. Und wenn ich nun an einer Baustelle und Stau vorbeikomme und es steht ein Verkehrskegel, denke ich an meinen Urlaub in Schottland oder nur an das Bild und habe gute Laune. Eindeutig die kleinen Dinge im Leben. Wie Licht auf Dinge fällt, die goldene Stunde, einen Sonnenuntergang, einfach nur am Wasser sitzen und den Wellen zuhören. In erster Linie ist meine Kunst wohl eher mein persönliches Tagebuch der kleinen lebenswerten Momente, wenn ich genauer darüber nachdenke. Und vielleicht schaffe ich es, dass sich andere durch meine Bilder auch über kleinere Dinge freuen – das ist aber nicht beabsichtigt.


    Rhea II, Acryl und Polychromos auf Leinwand, 100 x 50 cm, 2024
    Blumen in der Armgardstraße II, Polychromos und Acryl, 80×60, 2025

    Was sind für Sie die größten Herausforderungen an Ihrer Arbeit? 
    Spontane Antwort – mir treu zu bleiben. Meine Motivwahl nur von meinem Kribbeln in den Fingern abhängig zu machen und nicht daran zu denken, ob etwas sich vielleicht gut verkauft. 
    Ich merke manchmal, dass meine Bilder nicht mehr so offen sind. Der Schritt zurück ist dann eine Herausforderung, denn dann greife ich bewusst und mit Absicht ein – was ich eigentlich nicht will, aber in diesem Fall für sehr wichtig halte. Denn ich mag es offen und leicht – darunter leidet dann das Akkurate. Es ist immer ein Abwiegen, was mir gerade wichtiger ist. Das ist jetzt auf den Malprozess bezogen. 
    Wenn ich eher größer schaue, dann würde ich noch sagen, gute Ausstellungsmöglichkeiten zu finden, ist sehr schwer, aufwändig und enttäuschend. Ich muss immer wieder neu lernen, dass Absagen nicht heißen, dass ich keine gute Malerin bin. Das bin ich aber. Eine gute, manchmal denke ich sogar, eine tolle Malerin. Und jede leere Leinwand ist aufregend, herausfordernd und ein Neustart. Es ist nicht so, dass wenn das letzte Bild richtig gut geworden ist, dass es das nächste Bild automatisch auch wird. Nein, jedes Bild ist einmal ein größerer und mal ein kleinerer Kampf mit sich und den Materialien, mit dem Motiv, mit der Hand oder den benutzen Farben. Sicher baut man eine malerische Historie mit jedem Bild auf, aber trotzdem bleibt es immer wieder ein Start mit neuen und alten Zweifeln, Vorstellungen und dem Abfinden, dass der Zufall eine große Rolle spielt – in der Malerei und auch im Leben. Das macht es unvorhersehbar, aufregend und herausfordernd. 

    Viele Künstler*innen verwenden gerne Ölfarben, aufgrund der längeren Trocknungszeiten. Warum nutzen Sie vorrangig Acryl und Polychromos für Ihre Kunst? 
    Genau das ist der Grund, dass ich keine Ölfarben benutze – vielleicht ändert sich das nochmal. Ich bin eine sehr ungeduldige Malerin – selbst Acryl dauert mir zu lange, bis es trocknet. Gleich nach Pinsel, Leinwand und Farbe ist der Föhn mein wichtigstes Instrument. Ölfarbe würde mich momentan in den Wahnsinn treiben. Beim Malen kommen aus dem Nichts kleine Impulse und die habe ich jetzt und nicht 3 Tage später, wenn die Ölfarbe endlich trocken ist. Und Polychromos, das sind Farbstifte – da mag ich vorwiegend ein Rotrosa-Ton. Bei vielen Bildern ist dieser Stift mit dabei. 

    Was bedeutet es für Sie, „gute Kunst” zu machen? Wie würden Sie das für sich definieren?
    Wenn ich vor einem Bild stehe und es mich fesselt und nicht plakativ oder belanglos ist, sondern bewegend und dann noch handwerklich toll gemacht – dann ist es für mich gute Kunst. Vor einem Bild von Adrian Ghenie hatte ich zum Beispiel ein beklemmendes Gefühl und habe mir an die Brust gegriffen und das Luftholen war schwieriger – umso beeindruckender, als ich den Titel gelesen habe „The Heart Attack“. Oder das Bild, was Monet von seiner damals gerade gestorbener Frau auf dem Totenbett gemalt hat. Beeindruckend, bewegend und unvergesslich und das in der ganzen Bilderflut, die uns umgibt.

    Welches Ihrer Werke ist derzeit Ihr Lieblingsbild?
    Es ist meistens eines der letzten Bilder. Natürlich gibt es immer viele, die ich nur schweren Herzens hergeben kann oder gar nicht hergebe, aber die letzten sind immer noch so nahe. Zurzeit ist es das Bild „Rückansicht“. Eine Frau die nach unten schaut, in sich ruhend und etwas sinnlich. Es ist so wunderbar offen.

    Rückansicht, Acryl und Polychromos, 60x50cm, 2025 

    Wenn ich dann weiter darüber nachdenke, mag ich auch besonders die Ergebnisse von Plein Air Malerei. Wenn ich draußen in der Natur sitze und male. Dann habe ich nur einen gewissen Zeitrahmen, um das Bild fertigzustellen und ständig ändert sich das Licht. Das ist eine große Herausforderung und umso schöner, wenn es funktioniert. Das Bild „Am See eine Stunde von Hamburg“ ist für mich ein gelungenes Beispiel. 

    Am See eine Stunde von Hamburg, Woezer See, Plein air, Acryl, 50x60cm, 2023

    Sie stellen Ihre Werke bald im Hamburger Kunstsalon aus. Wonach haben Sie die Bilder für die Ausstellung ausgesucht? 
    Tanja Orlob hat meine Arbeiten bei einer Ausstellung gesehen und mich dann gefragt, ob ich nicht beim Hamburger Kunstsalon ausstellen möchte – sowas freut mich immer besonders, denn da hat es eines meiner Bilder geschafft, bei jemandem einen Eindruck zu hinterlassen. Die Bilder, die ich beim Hamburg Kunstsalon ausstelle, sollten irgendwie zusammenpassen und im besten Fall eine Geschichte erzählen. Es ist immer ein hin und her. Und dann kommt noch der Zufall dazu, denn es ist sehr schwierig zu entscheiden, was ich wo zeige. In derselben Zeit hänge ich auch die Ausstellung bei der Addart. Das muss alles mit berücksichtigt werden. Aber der Zufall war, dass Ihnen mein Bild Rhea II (S. 24) so gut gefallen hat und da habe ich gedacht, das werde ich zeigen. Ich musste schon zuvor zwei Bilder für den Flyer abgeben, daher standen somit drei Bilder fest. Ich habe dann versucht, passende dazu zu finden. Motiv, Farbe, aber auch so was banales wie Größe spielt eine große Rolle. 

    Was gefällt Ihnen am Ausstellen Ihrer Werke?
    Vor und selbst am Anfang meines Kunststudiums habe ich mir nicht vorgestellt, dass ich Ausstellung haben werde. Ich wollte einfach nur malen. Aber meine erste Ausstellung hat das geändert. Es war sehr aufregend – ich habe sozusagen mein Tagebuch aufgeschlagen und für jedermann sichtbar präsentiert – in Bildern gesprochen. Ich habe viel gutes Feedback erhalten und dass ist es auch, was ich am Ausstellen so schätze. Eine Mischung aus Stolz – denn am Anfang ist da eine leere Leinwand und was immer da drauf ist, habe ich geschaffen – und Feedback zu erhalten. Ein großartiges Feedback ist dann sicher auch ein Verkauf.     Luca Mohr

    Mehr Infos zur Künstlerin gibt es HIER.                                

    HAMBURGER KUNSTSALON

    Tipp: Einige Werke von Marlen Schulz sind bei der kommenden Auflage des HAMBURGER KUNSTSALONS zu sehen. Auf dem zeigen neben der Klein Borstelerin 9 weitere KünstlerInnen im Alter von 20 bis knapp 80 Jahren an zwei Tagen ihre vielfältige Kunst: Johannes Hartmann, Johanna Beil, Vincent Mühlenbeck, Torsten Rieken, Ralf Nolting, Holger Mühlenbeck, Olaf Schroeter, Antonius Hollander und Silke Baltruschat. Gezeigt werden Malerei, Zeichnungen, Mixed Media, Fotografie und Skulpturen.

    WANN: 08. November von 18-22 Uhr zur Vernissage und am 09. November von 11-14 Uhr zur Matinée. WO: Magdalenenstraße 42, Pöseldorf. Die Veranstalter Tanja Orlob und Christian Mühlenbeck bitten für ihre Planung um Anmeldung unter info@hamburger-kunstsalon.com, Betreff: „Vernissage“, „Matinée“ oder „beides“. Mehr Infos unter www.hamburger-kunstsalon.com und @hamburger_kunstsalon auf Instagram

    Kai Wehl
    Kai Wehl
    Chefredakteur
    Anzeigen-Spezial

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