Der Club europäischer Unternehmerinnen e. V. (CeU) lud unter der Führung von Initiatorin und Präsidentin Kristina Tröger den Philosophen Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin ins Hotel Vier Jahreszeiten ein. Der frühere Staatsminister und heutige Direktor am Bayerischen Forschungsinstitut für digitale Transformation (bidt) sowie Gründungsrektor der Humanistischen Hochschule Berlin ist bekannt für seine klare Analyse gesellschaftlicher Entwicklungen und hielt einen beeindruckenden Vortrag zum Thema „Die Zukunft der liberalen Demokratie: Gefährdung und Chance“.
Gleich zu Beginn betonte er die Aktualität des Themas: „Die Zukunft der liberalen Demokratie: Gefährdung und Chance, das Thema ist aktueller geworden als es uns lieb ist.“ Er warnte vor einer „Erosion des Rechtsstaats“ durch das Erstarken der Rechtspopulisten und stellte fest: „Es gibt mehrere Gründe, sich über Demokratie Gedanken zu machen.“ Dazu gehöre auch die Erkenntnis, dass eine „Diktatur von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt werden kann“, wie die Beispiele Putin und Erdogan zeigten.
Er führte durch die Entstehungsgeschichte der Demokratie, die auch als Antwort auf den Dreißigjährigen Krieg und den Versuch der Befriedung von Konflikten entstanden sei, und betonte: „Zustimmungsfähigkeit ist der Kern moderner Demokratie.“ Demokratie bedeute nicht nur Mehrheitsentscheidungen, sondern basiere auf „Individual- und Minderheitenrechten“. Ohne Zustimmung und Zivilkultur sei sie nicht lebensfähig. Dazu gehöre auch eine Streitkultur. Wenn man anfinge, Cancel Culture zu betreiben und “Menschen aus dem demokratischen Diskurs zu vertreiben”, dann werde “ein Basisprinzip der Demokratie” verletzt. “Wenn der gegenseitige Respekt – trotz aller Unterschiede – erodiert und Menschen nicht fair miteinander umgehen, dann erodiert die Demokratie”. Insofern sei das einseitig bewertende “Fakten Checking”, so wie es bisher betrieben werde, auch wirklich nicht angemessen und die diesbezüglich Kritik von Vance nachvollziehbar. Wer entscheide denn, was wahr ist? Sinnvolles Fakten Checking müsse den Status neutral darstellen “statt einseitig abzuurteilen”. Und: “Social Media spielt eine Rolle, ist aber nicht konstitutiv, Diffamierung gab es immer schon.”




Nida-Rümelin kritisierte die westliche Politik für den Versuch, Demokratie zu exportieren, da Demokratie an eine „bestimmte Zivilkultur“ gebunden sei, die sich lange in einer Gesellschaft entwickeln müsse. „Je länger wir an diesem Traum hängen, desto gefährlicher wird es.“ Er verwies auf gescheiterte Versuche in Afghanistan, Irak und Ägypten. Er warnte zudem vor „Überregulierung“ und missionarischem Eifer des Westens: „Fundamentalismus ist oft eine Gegenreaktion auf westliche Missionierung.“ Deshalb müsse Politik in jederlei Hinsicht „ideologisch abrüsten“, da „moralische Entrüstung Kooperation zerstört.“
Mit Blick auf die Zukunft betonte er, dass die wirtschaftliche Stärke Europas für die politische Handlungsfähigkeit entscheidend sei. Die Politik dürfe sich nicht durch „fehlende Technologieoffenheit“ selbst beschränken, sondern sich jetzt auf seine Stärken besinnen, und sein “ökonomisches, technisches und wissenschaftliches Potenzial” abrufen, ohne so selbstgefällig wie in der Vergangenheit zu agieren. Die Ausführungen von Julian Nida-Rümelin sorgten für eine intensive Diskussion mit den geladenen Unternehmerinnen im Anschluss an seinen Vortrag und einen Austausch bis in den späten Abend. Mehr Infos zum CeU gibt es HIER.
Aufmacherfoto: Gastgeberin Kristina Tröger CeU-Präsidentin, Prof. Dr. Julian Nida Rümelin Philosoph und Sabrina Staubitz TV-Moderatorin Alle Fotos: © Ulrich Tröger