Der Eppendorfer Boris Rogosch – vor allem bekannt als Host seines Podcastes „Foodtalker“ – beleuchtet aktuell in einem weiteren Podcast ein hochspannendes Thema: Makro-Algen. Weder Tier noch Pflanze, lassen sie sich ernten, essen, in der Kosmetik verwenden und spielen eine wichtige Rolle im ökologischen Gleichgewicht.
ALSTER AKTUELL: Wir Hamburger kennen Algen vor allem, wenn im Sommer die Alster „blüht“, was natürlich niemand haben möchte. Woher kommt dein Interesse an diesem Meeresgrünzeug?
Boris Rogosch: Mich hat schon immer alles unter der Meeresoberfläche fasziniert, von klein auf. Ob es um Angeln geht oder um Austern – die liebe ich. Natürlich wegen ihres Geschmacks, aber auch wegen ihrer Funktion für die Natur, etwa bei der Wasserreinigung. Daher war es ein logischer Schritt, mich auch Algen zu widmen. Ich interessiere mich dabei nicht für Mikro-Algen wie Spirulina, sondern für Makro-Algen aus dem Meer. Fast alle 10.000 Algenarten weltweit sind essbar, aber nur etwa 50 werden regelmäßig verzehrt – bei uns sind es nur fünf bis zehn Arten, wie Zucker- oder Blasentang. In Zeiten von weltweiten Ernährungsproblemen können Algen eine bedeutende Ressource darstellen. Anders als in Asien wird sie in unseren Breiten aber nur minimal genutzt.
Und das möchtest du mit deinem Podcast ändern. Wie kam es dazu?
Ich stieß zufällig auf das deutsch-dänische und von der EU unterstützte AlgaeFood-Projekt. Ziel ist es, das Bewusstsein für Algen als gesunde Lebensmittelzutat und für ihre Rolle in intakten Ökosystemen zu stärken. Das Konzept hat mir gefallen, also habe ich mich für den Podcast beworben. Es hat geklappt – insgesamt gibt es zehn Folgen, von denen vier bereits veröffentlicht wurden.
Was war das Überraschendste in deinen Recherchen und Gesprächen mit Expert*innen?
Wie vielseitig Algen sind. Ein Beispiel ist der Blasentang, der auf vielen Wegen eingesetzt wird, was ich sehr beeindruckend fand. Natürlich wird er nicht in jedem Fall eins zu eins als Ersatz verwendet. Wenn wir über ein Bier mit Algen sprechen, wird nicht der Hopfen oder Malz vollständig ersetzt, aber sie können eine gute Ergänzung sein. Ebenso werden Algen niemals Reis, Nudeln oder Kartoffeln ersetzen, aber sie sind eine nahrhafte Beilage.
Und auch, wie praktisch Algen sind. Nach dem Ernten sind sie selbstregenerierend, das heißt, sie müssen nicht angepflanzt werden, können es aber werden – in Farmen beispielsweise. Sie brauchen keine Bewässerung, keinen Dünger – leider ist ja bereits sehr viel Dünger im Meer, aber das ist ein anderes Thema -, sie wachsen artenabhängig teils extrem schnell und binden sehr viel mehr CO2 als Landpflanzen. Also wir müssen uns darum kümmern, ob als Part der Ernährung oder in Punkto Klimaregeneration, bzw. Verminderung des Klimawandels.
Algen sind gesund, aber gibt es Risiken?
Sie enthalten zahlreiche wertvolle Mineralien, Vitamine und Spurenelemente, doch der Jodgehalt variiert je nach Algenart stark. Jod ist essenziell, kann jedoch bei übermäßiger Aufnahme die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen. Zudem können Algen Schwermetalle enthalten, weshalb eine kontrollierte Herkunft entscheidend ist. Dennoch überwiegen die Vorteile, und Algen könnten ein fester Bestandteil unserer Ernährung werden – ähnlich wie Gemüse.
Hast du schon vor dem Podcast mit Algen gekocht?
Ja, ich habe regelmäßig mit Kombu-Algen, also Zuckertang, die ich aus dem Asia-Shop hatte, Dashi gekocht. Als ich erfuhr, dass Algen auch direkt vor der Haustür wachsen, war ich ehrlich fasziniert. In Kiel habe ich sie in einer Versuchsplantage gesehen – sie werden bis zu drei Meter lang und sind sehr breit. Sieht man sie in getrocknetem Zustand, ist das kaum zu erahnen. Genau wie bei allen anderen Algen nach der Verarbeitung, wenn sie etwa in Pesto, Brot, Käse oder als Cracker zu finden sind. Es gibt sogar Produzenten, die Algen für Bier oder Gin verwenden!
Hast du einen einfachen Tipp für den Umgang mit Algen in der Küche?
Algen sind ein toller Ersatz für Fleisch, zum Beispiel Dulse, der „Speck des Meeres“. Wenn man sie anbrät, passt die Dulse perfekt zu Gerichten, in denen man normalerweise Speck verwendet, man bleibt aber vegetarisch. Eine weitere einfache Möglichkeit, Algen in der Küche zu integrieren, ist Algenbutter: Dafür Zuckertang- oder Dulse flocken anrösten, fein mörsern und in weiche Butter einarbeiten. Das verleiht der Butter eine leicht jodige, meersalzige Note – und ist ein toller Hingucker.
Es geht aber noch viel mehr. Getrockneter und geräucherter Blasentang beispielsweise lässt sich in gemörserter oder gemahlener Form sehr gut als Aromastoff verwenden, wenn man es in den Speisen rauchig haben möchte. Und dabei ist es kein künstliches Ersatzprodukt, sondern ein natürliches Produkt. Nur haben wir verlernt, mit Algen und ihren Möglichkeiten zu leben und zu arbeiten. Dabei wachsen sie direkt in unseren Breiten.
Würdest du dich als deutschen Algen-Pionier bezeichnen?
Nein, eher nicht. Es gibt aber viele andere, auf die das zutrifft. Etwa der Algenforscher und -farmer Rafael Meichßner, der sich schon Ende der 90er-Jahre mit der Anpflanzung von Blasentang in der Ostsee befasste. Oder Jens Helt aus Langeland in Dänemark, der Blasentang mit der Sichel erntet und für Pesto, Bier und Brot nutzt. Ich bin aber gerne weiterhin Teil dieser Bewegung, die Algenprodukte verbreiten möchte. Ich sehe mich daher als Algen-Botschafter, der sich wünscht, dass die Menschen mutiger sind und einfach mal Neues ausprobieren.
PODCAST-TIPP:
Boris Rogosch spricht in seinem “Algen Talk” mit Menschen aus der Wissenschaft, Gastronomie und Wirtschaft, die mit dem Thema Algen und Essen zu tun haben. Dieser Podcast ist im Rahmen des Interreg-Projektes AlgaeFood entstanden. Die deutsch-dänischen Partner haben zum Ziel, Algen in der regionalen Esskultur als Teil einer gesunden und nachhaltigen Ernährung zu etablieren und als Lebensmittel bekannter und beliebter machen. Alle vier Wochen gibt es eine neue Folge mit erstaunlichen Fakten aus der Welt der Algen!
HIER geht es zu den Algen-Podcastfolgen.
Ebenfalls hörenswert für Freunde feiner Speisen und guter Getränke: der FOODTALKER PODCAST von Boris Rogosch.
Aufmacherfoto: „Algen lassen sich vielfältig nutzen, etwa als Backzutat in Brot“, so der Podcaster Boris Rogosch, der gerade in Norddeutschland mit seinem Pop-up Lunch Club „OmaLiebe“ für einen medialen Hype sorgte. © Sebastian Fuchs