Im Rahmen des 38. Schleswig-Holstein Gourmet Festivals ist der Sternekoch Sauli Kemppainen in den Süden gereist, um an zwei Tagen in der Gutsküche Wulksfelde seine SHGF-Premiere zu feiern. Für die hatte sich der mehrfach ausgezeichnete Finne seinen ehemaligen Arbeitskollegen Matthias Gfrörer ausgesucht. Beide bildeten dann auch ein hervorragend eingespieltes Team, das auf lustige und charmante Art und Weise erstklassige Küche servierte, bei der es laut Kemppainen vor allem um drei ganz wichtige Dinge gehe, die auch gleichzeitig sein Kochgeheimnis seien, „Geschmack, Geschmack, Geschmack“.
„Ich bin sehr glücklich, bei Matthias an diesem schönen Ort zu sein. Mit ihm habe ich vor 24 Jahren im 2-Sterne-Restaurant Margaux in Berlin am Herd gestanden“, so der heute 55-Jährige, der gerade in Helsinki das Restaurant Harbore im Solo Sokos Hotel Pier 4 eröffnet hat. Nach Wulksfelde ist er zusammen mit seinem Küchenchef Kermo Nuottonen gekommen, um seine durch reduzierten und konzentrierten Geschmack fokussierte Küche vorzustellen. Sein 5 Gänge-Menü bestand immer nur aus zwei Produkten – einem Haupt- und einem Nebenprodukt!
Bevor es losging, gab es aber erst einmal ein GUT‘S Amuse Buche: „HanseGarnele & Grünkohl“. Die Garnele sei so fein und frisch, dass man sie unbedingt roh genießen müsse, erklärte Matthias Gfrörer und er hatte Recht. Die Meeresfrucht aus nachhaltiger glückstädter Zucht war ein Gedicht und harmonierte perfekt mit einer konzentrierten Grünkohl-Gazpacho mit frittierten Grünkohlblättern. Ein traumhafter Einstieg, bevor es im ersten Gang vegetarisch weiterging. Steinpilz mit fünf Macharten von Zwiebeln – die teils gar nicht mehr als Zwiebel erkennbar, aber extrem lecker waren -, perfekt begleitet vom 2022 Riesling „Palais“ feinherb vom Weingut Reichsgraf von Kesselstatt (Mosel) aus dem Portfolio von Rindchen’s Weinkontor.
Der erste Gang stand sinnbildlich für die Philosophie des Finnen: „Erst einmal muss man gute Produkte finden, sonst kann man gleich etwas anders machen, aber nicht kochen – so etwas wie dein Auto reparieren, aber wenn du sie gefunden hast, dann mache es mit Liebe. Herz muss immer dabei sein. Und dann den eigenen Geschmack des Produkts so stark rausbringen wie möglich. Das ist das Ding – Karotte muss schmecken wir Karotte, Knollensellerie wie Knollensellerie. Aus diesem Grund nutze nie Ingwer oder Kräuter, die den Geschmack der Produkte übertünchen oder verfälschen. Und wenn ein Produkt schon roh gut schmeckt, warum sollte man dann großen Aufwand betreiben, es stark zu verändern.“ Wenige könne mehr sein, so der Sternekoch, für den der Eigengeschmack das Non-Plus-Ultra ist. Aber, man dürfe auch durchaus überraschen und kombinieren.
So bereicherte Sauli Kemppainen seine Kürbissuppe mit Emmentaler Käsestücken. Eine überraschende Kombination, anfangs kaum vorstellbar – aber wirklich sehr lecker. Ich werde es zuhause ausprobieren. Ebenfalls genial, eine wirklich sehr große Jakobsmuschel – aus norwegischen Gewässern getaucht – mit intensiv schmeckendem Karottenmus. „Ich koche nie mit Wasser, sondern immer im Saft des Produktes, das ich verwende. Für dieses Gericht haben wir Karotten ausgepresst, um 4 Liter Saft daraus zu ziehen. Diesen haben wir dann auf 1 Liter eingekocht, um die Karotten für das Mus darin zu kochen. Das gibt einen intensiven Geschmack“, sagt der Sternekoch.
Matthias Gfrörer, der schon mehrfach am SHGF teilgenommen hat, weil er sich gerne mit anderen Köchen austauscht, hatte alle Lebensmittel vom Gut Wulksfelde und benachbarten Höfen besorgt. Auch für den Hauptgang “Ente & Sellerie” „Wir haben die großen Enten á 5 kg Gewicht vom Demeterhof bekommen und nach dem Rupfen 2 Wochen in unserem Kühlhaus abgehängt. Sieben Entenbrüste reichten für 65 Gäste“, rechnet Gastgeber Matthias Gfrörer vor, dem Nachhaltigkeit wichtig ist. Sauli schwärmte von dem besten Entenfleisch, mit dem er je gearbeitet hat. Dazu reichte der Finne Knollensellerie und Stangensellerie – natürlich im eigenen Saft zubereitet. Gastgeberin Rebecca Gfrörer begleitet mit ihrem freundlichen Servicemitarbeiterinnen den Hauptgang mit einem 2018 Lemberger „Gipskeuper“ vom Weingut Schnaitmann aus Württemberg. Den Abschluss bildete “Skyr & Birne“, wobei der Skyr an Panna Cotta erinnerte und das Birnensorbet so birnig schmeckte, dass es fast schonglaubwürdig war. Perfekt, mal wieder dank einkochen im eigenen Saft. Fazit: Weniger kann wirklich mehr sein, wenn es mit Liebe und Herz für das Kochen und die Produkte kreiert wurde.
Über Sauli Kemppainen
Der finnische Spitzenkoch aus Oulu besuchte nach seiner Koch-Ausbildung und Meisterprüfung die Chefkochschule, bevor er im Hotel Savoy in Helsinki am Herd stand. Es folgten Stationen im Berliner Restaurant Margaux vom frankophilen Michael Hoffmann, im Drei-Sterne-Restaurant von Dieter Müller in Bergisch Gladbach und im Tristan auf Mallorca. Anschließend erweiterte er seine Expertise im weltberühmten Fat Duck von Heston Blumenthal in Berkshire (England). 2009 übernahm Sauli Kemppainen die Küche des Restaurants Die Quadriga im Hotel Brandenburger Hof in Berlin und wurde mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Im August 2012 führte ihn sein Weg nach Moskau, wo er das Orange Tree eines russischen Gastronomie-Moguls zum Sterneglanz verhelfen sollte. Nach zweieinhalb Jahren ging es zurück in die deutsche Hauptstadt, wo er sein eigenes Restaurant SAVU im Hotel Louisa’s Place eröffnete. Seine kreative Mischung aus skandinavischer, spanischer und italienischer Küche wurde von den Michelin-Testern wieder mit einem Stern geehrt. Doch in der Pandemie Ende 2020 schloss Kemppainen sein Restaurant, denn acht Monate ohne Gäste waren keine Option für den leidenschaftlichen Koch. Er kehrte nach Finnland zurück, wo er im 5-Sterne-Hotel Kämp in Helsinki seine Philosophie von „raffiniert, bodenständig und schnörkellos“ verwirklichte. Sein Versuch, mit seinem Restaurant Atelier die Feinschmecker aufs Land fern von Helsinki zu ziehen, ging nicht auf. Die Hotelkette Solo Sokos machte ihm ein Angebot für ein neues Restaurantkonzept, das Harbore im Hotel Pier 4 direkt am Kauppatori-Hafen in der finnischen Hauptstadt. Jetzt hat er mit 100 Plätzen eine perfekte Bühne, um seine innovative Küche weiterzuführen.
TIPP: Das SHGF läuft noch bis zum 05. April 2025. Locations und Termine gibt es HIER. Infos zu Gutsküche Wulksfelde gibt es HIER.
Aufmacherfote: Das SHGF machte auch in dieser Saison einen Stopp in der Gutsküche Wulksfelde. Rebecca, Noah und Mathilda und Matthias Gfrörer (v.l.) mit Sauli Kemppainen sorgten für ein kulinarisches Highlight. Alle Fotos: © Sven Schomburg