Donnerstag, 18. April 2024
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    Premiere mit Gespenstern

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    Der Schauspieler Christoph Tomanek aus Rotherbaum feiert auf der Uhlenhorst sein Debüt als Regisseur. Im Ernst Deutsch Theater inszeniert er das Stück „Gespenster“ von Henrik Ibsen. Morgen geht es los! Wir wollten von dem 53-Jährigen wissen, wie er auf das Stück gekommen ist und was es ausmacht.

    Alster-Aktuell: Warum haben Sie sich „Gespenster“ für Ihre Premiere ausgesucht?
    Christoph Tomanek:
    Das Stück fasziniert mich schon seit 30 Jahren. Vor allem dessen Tragik um das Verhalten, unbequeme Dinge im Familienkosmos solange zu verdecken und zu unterdrücken, bis sie in Form einer Krankheit als Symbol hochgespült werden, aber leider nicht mehr in den Griff zu bekommen sind, weil man sich zu spät darum gekümmert hat. So etwas habe ich trotz meiner bescheidenen Lebenserfahrung schon überall gesehen. In diesem Stück ist es realistisch und psychologisch perfekt dargestellt. Das ist einer der Gründe, dass ich es machen wollte.


    Lebenslügen und Fassaden hat wohl jeder in seiner Familie – mal mehr, mal weniger. Wenn das alle haben, scheint es ja ohne auch nicht zu gehen …
    Kleine Lebenslügen erinnern mich an das in England übliche positive charming. Um mit anderen Menschen gut umzugehen, werden sie mehrfach am Tag gelobt, auch wenn das gar nicht so ist. Das hilft, das Leben leichter zu machen und diese Art genieße ich oft in England oder den USA. Ich fände es toll, wenn das in Deutschland mehr Einzug halten würde. Aber wer bei wichtigen und langfristigen Themen Verlogenheit an den Tag legt, tut sich keinen Gefallen, denn irgendwann kommen die Dinge in irgendeiner Weise hoch. Deswegen muss man sie thematisieren und sich ihnen stellen.

    Das 1880 entstandene Stück war in Ibsens Heimat
    Norwegen wegen seiner Tabubrüche um Ehebruch und Sterbehilfe umstritten, heutzutage gilt es als eines der bedeutendsten Gesellschaftsdramen des späten
    19. Jahrhunderts. Ist es noch aktuell?
    Gespenster ist auch heute noch überraschend modern. Unter anderem, weil Ibsen bei seinen Frauenfiguren seiner Zeit weit voraus war. So ist Frau Alving freigeistig und hat Ansichten und Rechte, die Mitte des 19. Jahrhunderts nicht überall üblich waren und teils heute nicht sind, etwa was die Liebe angeht. Der Pastor hingegen könnte mit seinen Meinungen von einigen als rückständig angesehen werden. Aber es gibt ja damals wie heute, sehr konservative Strukturen in der Gesellschaft. Und wenn man sich die Entscheidungen der US-Justiz bezüglich der Abtreibung ansieht, wird klar, wie schnell vermeintlich Altmodisches oder restriktiv Konservatives aus alten Zeiten heute noch Realität ist.

    Ich habe das Stück auch etwas der Zeit angepasst. Von der Anmutung der Kostüme und Requisiten her könnte es in jeder nordeuropäischen Metropole spielen. Es gibt auch kleine Textänderungen. So soll mit dem Geld des Vaters kein Kinder-, sondern ein Flüchtlingsheim entstehen. Ein aktuelles Thema. 

    Was nehmen die ZuschauerInnen mit nach Hause?
    Das Stück hat schon etwas Moralisches und erinnert an eine griechische Tragödie. Man spürt von Anfang an, dass die Geschichte vielleicht nicht gut ausgeht. Denn in einer Art Enthüllungsdrama werden Dinge offenbart, die niemand rechtzeitig bespricht oder löst. Insofern geht man eventuell mit dem traurigen Gefühl um das Wissen nach Hause, dass Fassaden schnell Risse bekommen können. Klar, dass man sich aufgefordert fühlen kann, bei sich selbst zu gucken, – so wie es meist bei guten Theaterstücken der Fall ist.

    „Gespenster“ von Henrik Ibsen mit Katharina Abt, Helen Barke, Christoph Finger, Janek Maudrich und Christian Nickel läuft vom 01.09.-01-10. im EDT. Infos: www.ernst-deutsch-theater.de

    Foto: Christoph Tomanek feiert sein Regiedebüt mit „Gespenster“ von Ibsen. Es geht um Ansichten und Verhaltensmuster aus der Vergangenheit, die die Gegenwart bestimmen. © Kai Wehl

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    Kai Wehl
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