Donnerstag, 28. März 2024
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    Ich bin frei! Ich hab‘s geschafft!

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    Der Poppenbüttler Peter Döbler ist vor 50 Jahren aus der DDR geflohen. Er schwamm mehr als 45 Kilometer durch die Ostsee. Von Kühlungsborn bis nach Fehmarn. In die Freiheit! Was war geschehen, dass er sich vom Regime der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) abwandte? Wie er sich akribisch vorbereitete und warum er den gefährlichen Seeweg wählte? Die Geschichte einer unglaublichen Flucht hat der Hamburger Autor Rob Lampe in dem Buch „Kurs NordWest“ aufgeschrieben.

    Rückblende: August 1959, Rostock. Peter Döbler ist 19 Jahre alt, Sozialist und liebt seine Heimat. Er engagiert sich bei den Jungpionieren und der Freien Deutschen Jugend. Sein Berufswunsch ist Arzt zu werden. Mit einem Abi-Schnitt von 1,6 eigentlich kein Problem. Er bewirbt sich für ein Medizinstudium an der Universität in Rostock.

    Doch dann passiert, womit niemand gerechnet hätte. Peter Döbler wird abgelehnt.

    „Ich sollte mich erst gesellschaftlich bewähren, hieß es. Aber der wahre Grund war, dass mein Vater als selbstständiger Steuerberater gearbeitet hat und damit in den Augen des Staates ein Kapitalist war“, erinnert sich Döbler zurück.

    Dabei konnte der Vater gar nicht mehr arbeiten. Er war krank, lag in einer Klinik und starb kurz darauf. Döbler bewarb sich erneut an der Uni, galt er doch nicht mehr als Kapitalistenkind. Er wurde angenommen. „Dass erst mein Vater sterben musste, bevor ich studieren konnte, das habe ich dem Staat nie verziehen“, erläutert Peter Döbler.

    Sein Medizinstudium beendete er 1966, noch im gleichen Jahr heiratete er seine erste Frau, die er beim Studium kennenlernte. 1967 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Das Glück schien perfekt. War es aber nicht. Die kleine Familie bekam keine Wohnung, deshalb nahm Peter Döbler eine Stelle als Schiffsarzt beim Fischkombinat an.

    Ein eindrucksvolles Stück deutsch-deutscher Zeitgeschichte: Der Autor Rob Lampe (li.) schrieb das Buch über die Flucht des Arztes Dr.Peter Döbler.

    Der Gedanke an Flucht kam spät. Dann erhielt er eine Arbeitsstelle als Chirurgie-Assistent im Rostocker Südstadt-Klinikum.

    Peter Döbler war glücklich in Rostock. Fluchtgedanken sind nie aufgekommen. Die kamen erst viel später als er geschieden war und seine Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie zu scheitern drohte.

    „Dort ging der politische Druck los. Ich konnte meine Meinung nicht zurückhalten und habe mich mehrfach beschwert“, sagt Döbler. Er wollte nicht bestätigen, keine westlichen Fernseh- und Radiosender zu empfangen. Auch wollte er den sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei nicht gutheißen. 80 Stunden habe er in der Woche gearbeitet, für einen Hungerlohn. Seit Monaten leistete er in der Unfallchirurgie Wochenendschichten. Laut Ausbildungsplan hätte er längst wechseln  müssen. Doch der Klinikchef Professor Martin erlaubte es nicht. Döbler entsprach nicht mehr dem sozialistischen Ideal.

    „Die haben mir zu verstehen gegeben, dass ich mich nur so verhalten müsste, wie sie wollten. Dann gebe es keine Probleme. Ich wollte mich nicht zum Sklaven des Staates machen und alles nachplappern“, so Döbler. Er suchte das Gespräch mit dem Professor, rechnete ihm vor, um einen Maler für einen halben Tag zu bezahlen, hätte er ein Wochenende lang arbeiten müssen.

    Dieser entgegnete nur trocken: „Wenn Sie einen weißen Kittel tragen möchten, dann werden Sie doch Maler.“

    Es reicht jetzt! Das lässt du dir nicht mehr gefallen! Von da an habe er gewusst, was zu tun ist. Es gab nur noch den Fluchtgedanken. Der Landweg kam nicht infrage. Dort hätten zu viele Gefahren gelauert. Stattdessen entschied er sich zu schwimmen.

    Peter Döbler trainiert, er schwimmt in der Warnow, krault nach Warnemünde oder in der Müritz. Bis zu 20 Kilometer am Tag. Er besorgt sich Flossen und studiert Seekarten. Er späht die Routine der Grenzer, deren Routen und Kontrollpunkte aus.

    Sonntag, 25. Juli 1971. Es ist soweit! Kurs NordWest! Es gibt kein Zurück! Döbler fährt mit der Bahn von Rostock ins Ostseebad Kühlungsborn und verbringt den Nachmittag am Strand. Kühlungsborn ist der westlichste Küstenort, an dem damals noch kein Grenzturm stand. Erst ein Jahr später wurde dort einer gebaut.

    Er schwimmt im Wasser, sonnt sich und beobachtet andere Urlauber.

    Dabei verhält er sich so unauffällig wie möglich, denn am Abend will er zur westdeutschen Insel Fehmarn schwimmen. Gegen 17 Uhr, als sich der Strand langsam zu leeren beginnt, schreitet Döbler zur Tat. Die Bedingungen für seine Flucht sind ideal. Er schmiert sich dick mit Vaseline ein, steigt in seinen Neoprenanzug. Wichtige Dokumente, vier Tafeln Schokolade und Obesin-Dragees ( Appetitzügler auf Amphetamin-Basis) verstaut er am Körper in einem Plastikbeutel.

    Seine Ausrüstung: ein Schnorchel, Flossen für Füße und Hände, sowie drei Bleigürtel und einen Kompass, der an seinem Handgelenk baumelt.

    Dann geht es los. Hinaus auf die offene See. Dank seines harten Trainings schafft er zwei Kilometer pro Stunde. Zunächst will er strikt nach Norden schwimmen. Würde er sein Ziel Fehmarn direkt ansteuern, bliebe er zu lange in Küstennähe. Nach zehn Kilometern, also fünf Stunden später, will er nach Nordwesten abbiegen. Mit einem DDR-Arbeiterkampflied motiviert sich Döbler bei seinem Schwimm-Marathon. 

    Du hast ja ein Ziel vor den Augen, damit du in der Welt dich nicht irrst, damit du weißt, was du machen sollst, damit du einmal besser leben wirst.  (Auszug aus dem DDR-Arbeiterkampflied)

    Am Abend findet eine Streife seine zurückgelassene Kleidung am Strand. Sofort schwärmen Patrouillenboote aus, gegen Mitternacht scheinen sie ihn geortet zu haben. Ganz nah tasten sich Suchscheinwerfer an ihn heran. Peter Döbler kann sich durch Abtauchen retten. Den Rest der Nacht und den Großteil des folgenden Tags schwimmt er unbeirrt weiter.

    Das Ziel fest im Blick! Ich schaffe das! Nicht aufgeben! Es gibt kein Zurück!

    Nach 25 Stunden im Wasser, wenige Hundert Meter vor Fehmarn nimmt ihn ein westdeutsches Segelboot an Bord. Er ist in Sicherheit und frei.

    Wieder festen Boden unter den Füßen meldet er sich bei der Polizei und wird Westbürger. Er promoviert in Kiel und findet später in Hamburg sein neues Zuhause. Peter Döbler wird Urologe und hat eine eigene Praxis in Hamburg. Zwischenzeitlich lebt er auf den Kapverdischen Inseln und lernt dort seine zweite Frau kennen. Die beiden bekommen einen Sohn. Heute wohnt die Familie in Poppenbüttel.

    Bald schon könnte das Buch verfilmt werden. Peter Döbler und Rob Lampe liegt ein Verfilmungsangebot vor.

    Eine Lebensgeschichte, die anderen Menschen Mut macht, die mit ihrem Schicksal hadern und ganz klar zeigt: Gib niemals etwas auf, an das Du glaubst!

    „Kurs NordWest“ zeichnet den Lebensweg eines mutigen Mannes, der sich nicht hat brechen und einschüchtern lassen, sondern entschlossen seinen Weg ging. In die Freiheit!

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