Der Eppendorfer Matthias Busold hat ein Buch zu Work-Life-Integration statt Work-Life-Balance geschrieben. In einem Gastbeitrag erklärt der Personalberater und wirtschaftspolitische Sprecher der CDU Hamburg-Nord, warum dieser Schritt erforderlich ist und wie er gelingen kann.
Nicht erst seit Corona verändert sich die Arbeitswelt. Soziologischer, demographischer, technologischer und Werte-Wandel charakterisieren unsere Arbeitswelt. Dabei können Arbeit und (Privat-)Leben nicht mehr voneinander getrennt werden. Stattdessen wird oftmals die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gefordert. In diesem Zusammenhang wird häufig der Begriff Work-Life-Balance genannt. Work-Life-Balance bedeutet, einen Ausgleich zwischen (der vermeintlich schlechten) Arbeit und (dem vermeintlich guten) Leben zu schaffen und beide Bereiche getrennt voneinander zu betrachten. Doch die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen dank portabler Geräte und Home-Office Möglichkeiten zunehmend. Wir sind nahezu permanent erreichbar und die Cloud ermöglicht es uns, orts- und zeitungebunden zu arbeiten. Zwischen Arbeit und Leben wird eine integrative Verbindung – Work-Life-Integration – geschaffen und gleichzeitig einige dringende gesellschaftspolitische Herausforderungen gelöst.
Work-Life-Integration sieht vor, Privates auch während der Arbeitszeit und Berufliches auch während der Freizeit zu erledigen und zwischen diesen beiden Polen hin- und her zu springen. Dabei geht es nicht darum, das Stresslevel in die Höhe zu treiben. Sondern im Gegenteil, es zu senken, indem man die beiden Bereiche, die unser Leben maßgeblich beeinflussen, auf „natürliche“ Weise miteinander verzahnt, um somit seine Zeit effektiver zu nutzen. Ziel ist es, nicht konsekutiv 8 Stunden zu arbeiten – 8 Stunden zu schlafen – 8 Stunden Freizeitgestaltung zu machen, sondern seine Kapazitäten genauso einzusetzen, wie und wann es am sinnvollsten ist und dadurch die 24 Stunden des Tages möglichst optimal zu nutzen, um seinen beruflichen und familiären Verpflichtungen, aber auch Bedürfnissen nachgehen zu können.
Damit Work-Life-Integration funktioniert, müssen Instrumente flächendeckend entwickelt werden. In erster Linie gilt dies für Unternehmen und Mitarbeiter, die bereit sind, neue Wege zu gehen. In der Praxis handelt es sich hierbei zum Beispiel um:
• Flexible Arbeitszeiten ermöglichen das Büro zu verlassen, wenn nichts mehr zu tun ist bzw. ein paar Stunden länger zu arbeiten, wenn das Projekt fertig werden muss. Das Credo der Work-Life-Integration lautet „Vertrauensarbeit statt Stechuhr“.
• Home-Office ist für viele die Maßnahme schlechthin, wenn es um Work-Life-Integration geht. Tatsächlich lassen sich Arbeit und Privatleben hierdurch ausgezeichnet miteinander verknüpfen. Voraussetzung sind aber entsprechende räumliche Kapazitäten.
• Telearbeit ermöglicht das Arbeiten außerhalb des Büros, zum Beispiel am Strand.
• Rückzugsorte im Unternehmen werden immer häufiger von Unternehmen angeboten, um ihren Mitarbeitern Ruhepausen zu gönnen.
• Gesundheitsangebote, wie Massagen, Yoga am Arbeitsplatz oder eine kurze Meditation zwischen zwei Meetings ist keine Zukunftsmelodie mehr, sondern gelebte Realität. Auch hier können Ansätze der Work-Life-Integration erkannt werden.
• Kinderbetreuung in Form von Betriebskindergärten sind sicher keine Neuerfindung der Work-Life-Integration, müssen in diesem Zusammenhang jedoch definitiv genannt werden. Sie sorgen dafür, dass Eltern trotz des Nachwuchses ihrer Arbeit nachgehen und im Notfall schnell reagieren können.
• Aging-Betreuung: Die Menschen werden immer älter und benötigen irgendwann Betreuung. Ebenso wie die Kinderbetreuung werden Unternehmen auch betriebseigene Seniorenheime in der Nähe des Unternehmens einrichten.
• Co-Working Spaces: In urbanen Gebieten verfügen viele Arbeitnehmer nicht über die nötigen räumlichen Kapazitäten, um zu Hause zu arbeiten. Wohnortnahe Co-Working Spaces ermöglichen Arbeiten in einem professionellen Umfeld außerhalb der Wohnung, aber ohne lästige Wege in die Innenstadt oder die Firma und reduziert dabei gleichzeitig den Verkehr.
• Jobsharing: In Teilzeit arbeiten und dennoch eine anspruchs- und verantwortungsvolle Führungsposition innehaben? Für viele klingt das nach einem großen Widerspruch. Das Arbeitszeitmodell Jobsharing macht es möglich und fördert die Work-Life-Integration.
Dies alles erfordert eine neue Führungskultur, die nicht überwacht oder kontrolliert, sondern den Mitarbeiter wertschätzt und partizipative, demokratische Arbeitsformen anbietet, Ziele setzt und nicht den Weg überprüft, sondern das Ergebnis. Ebenso muss aber auch der Gesetzgeber entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, etwa das Telearbeits-Gesetz novellieren, das Arbeitszeitgesetz modernisieren, den rigiden Datenschutz neu justieren und die Steuergesetzgebung anpassen. In Summe sollte der Gesetzgeber Rahmenbedingungen schaffen, die den Vertragsparteien individuellen Handlungsspielraum ermöglichen und eher weniger als zu viel zu regeln. Der selbstverantwortliche Mitarbeiter steht im Zentrum von Work-Life-Integration.
Matthias Busold und Marc Husten, Work-Life-Integration, Springer Fachmedien, 2020, Softcover, 50 Seiten, 14.99€ (eBook 4,99€)