Das Hamburger Singer/Songwriter-Duo Fjarill hat gerade sein Album „Poësi“ rausgebracht. Der Name ist Programm, denn die Eppendorferin Hanmari Spiegel und die Volksdorferin Aino Löwenmark haben Gedichte der beiden Literaturnobelpreisträger Nelly Sachs und Pär Lagerkvist vertont.
Das neunte Album der beiden wird ein besonderes, es ist voller Gedichte. Der Ursprung dafür liegt gut fünf Jahre zurück. „Als mir meine Bookerin von dem überraschenden Tod von Roger Cicero berichtet hat, den ich kannte, habe ich mir ein Gedichtband von Pär Lagerkvist (1891-1974) genommen, mich ans Klavier gesetzt, daraus gelesen und dazu gespielt. Wow, das war wie eine Therapie für mich, die Gedichte haben mich getröstet“, erklärt Aino Löwenmark.
So habe sie ihre Liebe zu einem der berühmtesten schwedischen Schriftsteller und Dichter wiederentdeckt. Aus diesem Grund hätten es drei vertonte Gedichte von Lagerkvist auf das letzte Album „Midsommar“ (2019) geschafft. „Das hat uns so gut gefallen, dass wir ein ganzes Album mit seinen Texten machen wollten“, sagt die 47-Jährige, die seit 25 Jahren der Liebe wegen in Hamburg lebt. Es kam anders, weil ihr Vater meinte, dass die Gedichte von Nelly Sachs (1891-1970) doch auch gut zu dem Duo passen würden. Denn wie sie, lebte sie später nicht in ihrem Geburtsland. Die gebürtige Berliner Jüdin floh in letzter Sekunde 1940 vor den Nazis nach Schweden. Zum Glück ganz ohne politischen Druck leben die Schwedin Aino Löwenmark heute in Volksorf und die Südafrikanerin Hanmari Spiegel in Eppendorf.
Dass beide Poeten im gleichen Jahr geboren wurden und später den Literaturnobelpreis erhielten (Sachs 1966, Lagerkvist 1951), sei Zufall gewesen. Aber eigentlich, so die Sängerin weiter, glaube sie nicht an Zufälle. Deswegen sei es wohl auch keiner, dass das Album jetzt in der Corona-Pandemie erscheine. „Es passt gut irgendwie, denn beide – vor allem Sachs – haben traurige Zeilen niedergeschrieben.“ Dafür aber sehr poetische. Beispielhaft dafür sei hier Nelly Sachs‘ Song „Hier nehme ich euch gefangen/ ihr Worte“ genannt. Davon gibt es auch ein Video, in dem Fjarill die Zeilen seicht, irgendwie zärtlich vortragen, verpackt in fast mystisch klingende Musik. Eindrucksvoll. „Wir wollten sanfte Klänge, als Kontrast zu den teils sehr harten Texten.“ Vor allem die von Sachs – erstmals hat Aino Löwenmark dafür auf Deutsch gesungen – sind rätselhaft und teils sehr derb. Es geht oft um den Tod. „Sie hat ihre Gedichte in Nervenheilanstalten geschrieben, zwischen Delirium und Behandlung. Es ist beeindruckend, wie sie ihre Trauer in Kunst umgesetzt hat. Ihre Gedichte bewegen uns und sind so ganz anders, als die von Lagerkvist, der viel mehr im Leben drin ist. Er beschreibt hauptsächlich menschliche Tiefen in Bezug auf Liebe und Trauer.
Diesmal haben wir keine eigenen Songs mit einer Aussage von uns auf dem Album, trotzdem möchten wir mit ihm etwas vermitteln, oder eher verdeutlichen – wie zerbrechlich wir Menschen sind. Allerdings muss uns das nicht missmutig stimmen, denn nur durch diese Zerbrechlichkeit, die sicherlich bei vielen mit Gefühlsschwankungen einhergeht, werden wir stark. Durch die Erfahrungen, die wir sammeln. Das kann man auch bei Sachs und Lagerkvist spüren. Die Texte können eine heilende Wirkung haben und Zuversicht geben. Vor allem jetzt in diesen besonderen Zeiten“, finden Hanmarie Spiegel und Aino Löwenmark.
CD-Tipp: „Poësi“ (Butter & Fly Records ) von Fjarill ist am 30.04. erschienen – mit 13 einfühlsamen deutschen und schwedischen Songs und einem Gedicht. Infos gibt‘s auf www.fjarill.de
Aufmacherfoto: © Anne de Wolf