Montag, 4. November 2024
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    Lesung: Ein inspirierender Austausch

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    Die Hamburger Schauspielerin Sandra Quadflieg hat mit ihrer Kollegin Katharina Thalbach einen Briefwechsel zwischen der Publizistin Hannah Arendt und die Frauenrechtlerin Mary McCarthy vertont. In “IM VERTRAUEN” ist zu hören, was sich die beiden von 1949-1975 zu sagen hatten. Im Januar und Februar 2021 gibt es drei Lesungen in Altona, Bergedorf und Rotherbaum. Wir wollten von Sandra Quadflieg wissen, was sie an den Frauen faziniert.

    Es ist dein dritter vertonter Briefwechsel dieser Art. Wie bist du auf den Stoff gekommen?

    Mein erstes Hörbuch Mein Vater Gottfried Benn habe ich gemeinsam mit Otto Sander eingesprochen und mein zweites Hörbuch Nichts fehlt – außer Dir mit Ulrich Tukur (Briefe von Claire und Yvan Goll, die Red.) und genau dort bin ich mit dem jetzigen Stoff das erste Mal in Berührung gekommen. Es war der Tag meiner Premierenlesung von Nichts fehlt – außer Dir, dem Briefwechsel einer außergewöhnlichen Liebe zwischen Claire und Yvan Goll im St. Pauli Theater. Bei der anschließenden Autogrammstunde sagte eine Zuschauerin zu mir: “Ich kenne nur einen einzigen Briefwechsel, der genauso brillant ist wie dieser hier, der zwischen Hannah Arendt und Mary McCarhy – Er heißt Im Vertrauen!” Noch in der selben Nacht googelte ich danach, manchmal hat man so ein Gefühl… Ich stellte fest, dass dieser Briefwechsel noch nie vertont wurde. Das weckte mein Interesse. Sofort bestellte ich mir das Buch. Als ich es kurz darauf in der Hand hielt und die erste Seite aufschlug, las ich das Zitat von Hannah Arendt: “Man kann nicht sagen, wie das Leben ist, es sei denn, man erzählt die Geschichte.” Und ich wusste in diesem Augenblick, dass ich diese Briefe vertonen würde.  

    Was fasziniert dich an diesen beiden Frauen?

    Vor allem, dass sie nicht nur leidenschaftlich dachten, sondern auch leidenschaftlich lebten. Es fesselte mich, wie sie ihr künstlerisches Leben bewältigten, wie offen sie miteinander über alles im Vertrauen sprachen und wie scharfsinnig sie ihre Gedanken dabei formulierten. Hannah Arendt faszinierte an Mary McCarthy übrigens, dass sie sich das Staunen des Kindes bewahrt hat, das entdeckt, dass der Kaiser keine Kleider anhat; Mary bewunderte Hannah als den einzigen Menschen, “dem sie beim Denken zugeschaut” hat. Und ich fand es spannend, ihnen “heimlich”  bei diesem beispiellos offenen Dialog zuzuhören. 

     Was ist das Besondere an diesem Briefwechsel? 

    Das Besondere ist, dass hier zwei Menschen aufeinander trafen, die gegensätzlicher nicht hätten aufwachsen können: Judentum und Katholizismus, deutsche Universitätstradition und amerikanisches Upper-Class-College, das Amerika des New Deals und das Deutschland des Nationalsozialismus`. Und dennoch oder vielleicht genau deshalb war ihr Austausch so unvergleichbar inspirierend, ehrlich, tiefgründig und berührend. Sie schrieben sich über 25 Jahre lang Briefe: Dokumente eines unverbrüchlichen Vertrauens, zugleich ein beispiellos offener Dialog zweier intelligenter Frauen, die beherzt und unvoreingenommen über alles sprachen, was sie bewegte: Politik, Moral, ihre Männer, ihre Bücher und ihre Träume. 

    Sandra Quadflieg (l.) und Katharina Thalbach bei Aufnahmen in Berlin. © Anita Back/Random House Audio

    Das Thema Antisemitismus ist auch heutzutage leider noch aktuell. Spielt der Antisemitismus zwischen den beiden Frauen eine Rolle in den Briefen?

    Oh ja! Sehr sogar! Hannah Arendt war Jüdin und begleitete als Autorin für eine Zeitung den Eichmann Prozess. In den Briefen erlebt man hautnah, wie erschütternd die damaligen Ereignisse wirklich waren. Die beiden Frauen sprachen häufig darüber, weil es sie verständlicherweise sehr bewegte. 

    Auch dafür mache ich diese Hörbücher, um gegen das Vergessen anzukämpfen! Es ist erschreckend und ich verachte es zutiefst, dass Antisemitismus auch heute immer noch ein Thema ist! Der Populismus hat durch seine ausgrenzende Sprache den Hass in der Gesellschaft wieder nach oben gespült. Das zeigt sich im täglichen Miteinander und gipfelt in so schrecklichen Taten wie Halle oder Christchurch im vergangenen Jahr. 

    Gibt es eine Botschaft, oder nur Unterhaltung?

    Wenn ich eines gelernt habe, nachdem ich mich seit so vielen Jahren mit Biografien beschäftigt habe, dann, dass im Leben die Würfel jeden Tag aufs Neue fallen. Und dass sich doch über kurz oder lang Träume erfüllen! Dass nach Jahren der Durststrecke auch Jahre des Glücks folgen. Das Leben besteht eben aus Licht und Schatten und nur, wer das eine kennt, kann auch das andere wertschätzen. Und genauso war es auch im Leben von Hannah Arendt und Mary McCarthy.

    Wir kam es zu der Zusammenarbeit mit Katharina Thalbach?

    Als ich die Originalbriefe zum ersten Mal las, hatte ich sofort Katharina Thalbachs Stimme im Ohr. Ich wollte schon immer mit ihr zusammenarbeiten und war überglücklich, dass sie sofort bereit war, den Part von Hannah Arendt zu übernehmen. Als ich Kathi dann   zum ersten Mal persönlich traf und in ihre verschmitzten Augen sah, war das Eis sofort gebrochen. Wir verstanden uns auf Anhieb und die Arbeit mit ihr war großartig! Ich hätte keine bessere Partnerin für dieses Projekt finden können. Wir lachten, tauschten uns angeregt aus und es war, als wären wir nicht nur Kolleginnen, sondern schon seit vielen Jahren Freundinnen. 

    Gibt es schon Pläne für ein nächstes Projekt dieser Art?

    Ja, die gibt es in der Tat! Ich habe gerade mein neues Manuskript für meine kulturelle Hörbuchreihe bei Random House Audio abgeben. Dieses Mal geht es um den Briefwechsel zwischen Sarah Kirsch und Christa Wolf. Zwei große Autorinnen sind hier fast 30 Jahre im Austausch. Ihnen beim Schreiben und Leben zuzusehen ist ein Geschenk. Bald geht es ins Tonstudio nach Berlin, dort werde ich die Briefe gemeinsam mit Iris Berben einsprechen. Mein viertes Hörbuch wird im Frühjahr 2021 erscheinen.

    Diese Termine gibt es in Hamburg, der Vorverkauf läuft:

    31.01.2021 um 18 Uhr im Altonaer Theater
    01.02.2021 um 19:30 Uhr im Theater Haus im Park
    02.02.2021 um 19:30 Uhr Hamburger Kammerspiele

    Drei Briefwechsel:

    Die Hamburger Schauspielerin Sandra Quadflieg hat drei Briefwechsel auf Hörbucher gebannt: Briefe von Gottfried Benn (gelesen mit Otto Sander, 2006), Briefe von Claire und Yvan Goll (gelesen mit Ulrich Tukur, 2017) und die zwischen Hannah Arendt und Mary McCarthy (gelesen mit Schauspielerin Katharina Thalbach, 2019).
    Die Publizistin und die Frauenrechtlerin lernten sich 1945 in einer Bar in Manhattan kennen, wurden Freundinnen und schrieben sich über fünfundzwanzig Jahre lang Briefe – ein beispiellos offener Dialog zweier intelligenter Frauen. „An diesen beiden Frauen fasziniert mich, dass sie nicht nur leidenschaftlich dachten, sondern auch leidenschaftlich lebten und wie scharfsinnig sie ihre Gedanken in den Briefen formulierten“, nennt Sandra Quadflieg einige der Gründe, den Briefwechsel zu vertonen.

    Hannah Arendt, Mary McCarthy – Im Vertrauen – Briefwechsel 1949-1975, Sprecherinnen: Katharina Thalbach und Sandra Quadflieg, 2 CDs / Laufzeit: ca. 156 Min., Random House Audio, 19,99€ (UVP)

    Kai Wehl
    Kai Wehl
    Chefredakteur
    Anzeigen-Spezial

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