Nach 82 Jahren kehrt die alte Torakrone aus der ehemaligen Bornplatzsynagoge zurück auf den heutigen Joseph-Carlebach-Platz. Erst jüngst ist ein kleiner Teil des verloren geglaubten Kulturschatzes wieder aufgetaucht. In der Reichspogromnacht 1938 brannte die 1906 eröffnete Bornplatzsynagoge nahezu vollständig ab. Alle kultischen und religiösen Gegenstände wurden zerstört, wurden gestohlen oder galten als verschollen. Nun ist sie wieder da, die zehnjährige Eve, eine Angehörige der jüdischen Gemeinde, überbrachte die Torakrone am 9. November dem Rabbiner Shmuel Havlin.
1939 wurden die Mauerreste der Synagoge abgerissen. Die Kosten dafür wurden der jüdischen Gemeinde auferlegt. Seitdem ist der Platz leer. Seit 1988 – zum 50. Jahrestag der Novemberpogrome – erinnert ein Bodenrelief an den ehemaligen Standort der größten Synagoge Norddeutschlands. Am Tag des Gedenkens startet gleichzeitig die Kampagne: „Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge“. Die Idee der Initiatorinnen und Initiatoren ist, bis zum 27. Januar die Unterschriften von 100.000 Hamburgerinnen und Hamburgern für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge – am historischen Ort – zu gewinnen. Senatorin Katharina Fegebank, zuständig für das jüdische Leben in Hamburg, unterzeichnet den Aufruf, für eine neue Sichtbarkeit jüdischen Gemeindelebens in Hamburg, heute als eine der ersten.
Senatorin Katharina Fegebank, zuständig für das jüdische Leben in Hamburg: „Der 9. November ist ein Tag in unserer Geschichte, den wir nie vergessen dürfen. Die Pogrome, die 1938 durch das ganze Land gingen und auch hier bei uns in Hamburg, im Grindelviertel das jüdische Leben unwiederbringlich zerstört haben, waren ein Fanal. Die Bornplatzsynagoge ging in Flammen auf, kostbare Gegenstände wurden gestohlen, Menschen ermordet. Seit 82 Jahren ist diese Wunde nun nicht verheilt. Ich begrüße die Initiative und hoffe, dass viele Hamburgerinnen und Hamburger sich mit ihrer Stimme klar gegen Antisemitismus stellen und gleichzeitig die Kampagne für den Wiederaufbau eines neuen jüdischen Gemeindezentrums im Herzen der Stadt unterzeichnen.“
Shlomo Bistritzky, Landesrabbiner Hamburg: „Hamburg hat seit Jahrhunderten eine jüdische Identität. Diese Identität ist jäh geendet. Das Grindelviertel war das Zentrum jüdischen Lebens und das Herz des Grindels, war immer die Bornplatzsynagoge. Ihr Fehlen ist eine offene Wunde. Die neue Bornplatzsynagoge am historischen Ort war das Zentrum der jüdischen Gemeinde dieser Stadt und soll es künftig auch für alle Hamburgerinnen und Hamburger werden.“
Daniel Sheffer, Initiator der Kampagne „Nein zu Antisemitimus. Ja zur Bornplatzsynagoge“: „Wir leben nicht 1938. Wir leben heute. Antisemitismus und Hass haben keinen Platz in unserer Gesellschaft. Wir, die Hamburgerinnen und Hamburger lieben unsere weltoffene Stadt. Für unsere Grund- und Freiheitsrechte haben wir zu kämpfen. Stehen wir gemeinsam, vielstimmig und unüberhörbar zur Kampagne „Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge.“
MEHR INFOS gingt es auf www.bornplatzsynagoge.org
Hintergrund
Auch die Hamburgische Bürgerschaft hat bekräftigt, dass sie es für wichtig hält, die Sichtbarkeit des jüdischen Lebens in Hamburg zu stärken. Die Wiederherstellung des sichtbarsten Wahrzeichens des jüdischen Lebens in Hamburg auf dem mittlerweile zum Teil nach Josef Carlebach benannten Platz entspricht diesem Anliegen in hohem Maße. Ebenso erkennt die Bürgerschaft das Bedürfnis der Jüdischen Gemeinde Hamburgs an, dass die neue Synagoge in ihrer Gestaltung und in ihren Dimensionen an die zerstörte Bornplatzsynagoge anknüpft.
Bevor dieses Vorhaben realisiert werden kann, stellen sich allerdings eine Vielzahl von Fragen: Eine Machbarkeitsstudie – finanziert durch eine Zuwendung des Bundes in Höhe von 600.000 Euro – soll Antworten auf die wichtigsten Fragen liefern und so eine zeitnahe Umsetzung ermöglichen. Die offenen Fragen betreffen dabei unter anderem die architektonische Gestaltung des Neubaus, die räumliche Situation am Josef-Carlebach-Platz und dem daran angrenzenden Allende-Platz – inklusive des sich dort befindlichen denkmalgeschützten ehemaligen Luftschutzbunkers – wie auch die Frage der Nachnutzung der Synagoge in der Hohen Weide. Der Hamburgischen Bürgerschaft ist bewusst, dass für die Jüdische Gemeinde Hamburgs die Wiedererrichtung der Synagoge Priorität genießt, weil dies das Zeichen sichtbaren und lebendigen jüdischen Lebens in Hamburg heute ist. Gleichzeitig ist der Jüdischen Gemeinde Hamburgs bewusst, dass für die Hamburgische Bürgerschaft ein würdevoller und angemessener Umgang mit dem Bodenmosaik von Margrit Kahl, das am Joseph-Carlebach-Platz an die Zerstörung der Bornplatzsynagoge und die damit verbundene Entrechtung und Ermordung Hamburger Jüdinnen und Juden in der NS-Zeit erinnert, von einer großen erinnerungskulturellen Bedeutung ist. Im weiteren Prozess sollen Wege gefunden werden, beides zu gewährleisten.
Das sagen die Grünen:
Initiative für die Bornplatzsynagoge: Ein starkes Signal für jüdisches Leben in Hamburg
Zum heutigen Tag des Gedenkens an die Zerstörungen der Reichspogromnacht am 9. November 1938 startet in Hamburg die Kampagne „Nein, zu Antisemitismus. Ja, zur Bornplatzsynagoge“. Bis zum 27. Januar 2021 können alle Hamburger*innen einen entsprechenden Aufruf für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge unterschreiben. Ziel ist es, 100.000 Unterschriften zusammenzubekommen. Bereits Anfang des Jahres wurde in der Bürgerschaft ein interfraktioneller Antrag zum Wiederaufbau der Synagoge auf Anregung der Rot-Grünen Regierungsfraktionen beschlossen. Damit wurde auch eine Machbarkeitsstudie ermöglicht, deren Ergebnisse im Laufe des kommenden Jahres vorliegen soll. Die Grüne Bürgerschaftsfraktion begrüßt die Initiative ausdrücklich und ruft zur Unterstützung auf.
Dazu Michael Gwosdz, religionspolitischer Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Im kommenden Jahr feiern wir 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Damit dies auch wieder im Herzen unserer Stadt Hamburg sichtbar wird, ist der Wiederaufbau der Synagoge am Bornplatz genau der richtige Schritt. Doch damit jüdisches Leben wieder ganz selbstverständlich in Sicherheit und Frieden stattfinden kann, müssen wir gemeinsam jede Form des Antisemitismus in die Schranken weisen. Wir haben jede Menge Platz für jüdisches Leben in Hamburg, aber keinen Raum für Antisemitismus.“
Dazu Filiz Demirel, Sprecherin für Antisemitismus der Grünen Bürgerschaftsfraktion: „Antisemitismus ist nicht nur ein Angriff auf jüdisches Leben, sondern auch ein Angriff auf uns alle und auf unsere Demokratie. Seit Jahrhunderten gehört das jüdische Leben untrennbar zu unserer Gesellschaft. Es ist wichtig, dass wir darüber nicht nur im Kontext von antisemitischen Anschlägen oder Vorfällen sprechen, sondern auch endlich in einem ausschließlich positiven Kontext. Der Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge ist keine Symbolik. Es ist unsere historische Verantwortung dafür zu sorgen, dass jüdisches Leben in Hamburg wieder sichtbarer wird.”
Das sagt die CDU:
Trepoll: Wiederaufbau der Bornplatz-Synagoge mit Unterstützung der Hamburger vorantreiben
Heute, am Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November 1938, startet die Kampagne „Nein, zu Antisemitismus. Ja, zur Bornplatzsynagoge“. Die CDU-Fraktion setzt sich seit längerem für den Wiederaufbau der Synagoge ein und hatte dazu gemeinsam mit anderen Fraktionen einen Antrag in die Hamburgische Bürgerschaft eingebracht. Die CDU-Fraktion unterstützt die Initiative daher bei ihrem Vorhaben, zumal es zuletzt schon bei der Machbarkeitsstudie zu Verzögerungen gekommen ist.
Dazu André Trepoll, verfassungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion: „Der Wiederaufbau der Bornplatz-Synagoge ist ein starkes und sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben in der Mitte unserer Stadt. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich jetzt eine Initiative gebildet hat, um das Projekt mit voller Kraft voranzubringen. Die Verzögerung schon bei der Machbarkeitsstudie hat zuletzt Anlass zur Sorge gegeben. Daher braucht es hier auch noch mehr Unterstützung von Seiten des Senats für die jüdische Gemeinde. Ich bin davon überzeugt, dass es Hamburg gelingen wird, die Bornplatz-Synagoge wieder aufzubauen. Das ist eine Aufgabe historischer Dimension, die wir gemeinsam als Stadtgesellschaft leisten können.“
Aufmacherfoto: © Eva Marhenke