Mit dem Schulbeginn beginnt eine erste Zeit für die Schülerinnen und Schüler! Warum, erklärt Verleger Wolfgang E. Buss in seiner Kolumne.
Immer wieder lese und höre ich in den letzten Tagen: Für viele Kinder beginne jetzt „der Ernst des Lebens“: Schulbeginn. Was meinen die Erwachsenen damit, wenn sie so etwas schreiben oder sagen?
Sie meinen damit:
– Du kamst als total neugieriges Kind auf diese Welt, um sie zu entdecken! Damit ist jetzt Schluss! Jetzt kommen andere und sagen dir, was für dich wichtig ist und werden dich dafür benoten!
– Obwohl deine Eltern seit Jahrzehnten hören, dass Investitionen in Bildung das Allerwichtigste sei, wirst du auf überforderte Lehrer, Unterrichtsausfall und verwahrloste Schulgebäude treffen.
– Du wirst in eine nahezu analoge Welt gelangen, von der Kritiker behaupten, man hätte im Bildungswesen die Digitalisierung verpennt, obwohl das so sehr wichtig für deine Zukunft sei.
– Du wirst plötzlich auf durchgeknallte Mitschüler treffen, mit größten Defiziten in ihrer Sozialkompetenz. Und wenn du nicht weißt, was du machen sollst, weil sie den gesamten Unterricht stören? Da musst du durch, die Lehrer wissen es auch nicht.
– Man wird dich auf Berufe vorbereiten, die es dann, wenn du die Schule beendet hast, nicht mehr geben wird. Später wird man dir erklären, dass digitale Disruptionen diese Berufe zerstört haben, was Lehrer aber vorher nicht wissen konnten.
– Du wirst erfahren, dass du unbedingt Abitur machen musst. Wenn du z.B. Klempner werden möchtest, um ein Leben lang einen sicheren Job zu haben und eine Lehrstelle anstrebst, wird man dir das ausreden.
– Ja, du hattest möglicherweise sechs schöne Kindheitsjahre. Nun wird dein neuer Alltag geprägt sein von Schul-Stress und Überforderung. Man wird dich behandeln wie ein Objekt, das man nach Wunsch formen kann. Schließlich aber will man nur das Beste für dich. Und: Warum sollst du es besser haben als deine Eltern?
Und dann noch etwas: Solltest du einmal hören von fortschrittlichen Lern- und Entwicklungsforschern oder Neurowissenschaftlern, die eine andere Schule fordern, weil diese noch aus dem vorletzten Jahrhundert stammt, und wenn diese dann über Potentialentfaltung reden, höre einfach nicht hin. Es sind meist Querulanten, Verschwörungstheoretiker und andere Verwirrte. Vertraue den Schul-Autoritäten, die man dir vorsetzt.
Ach so, ja:
Ich selbst bin immer wieder erschrocken über meinen eigenen Wikipedia-Eintrag: Da steht nämlich ich sei „Schulversager“! (Schau mal rein!) Furchtbar. Ich habe keinen richtigen Hauptschulabschluss. Keine Uni oder zweiten Bildungsweg. Nix. Ich bin also ein Lebensverlierer und Versager! Das hat man uns schon damals eingebläut: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.“ Lebenslanges Lernen? Quatsch, du musst die Schulbank drücken und leiden lernen! Oder eben: Vollversager!
Und wenn das gerade alles nicht so klappt mit deiner Einschulung und dem „Ernst des Lebens“, und man sich streitet, wann du einen Mund-Nasen-Schutz tragen sollst usw., dann liegt das daran, dass jene Erwachsenen, die sehr genau wissen, was für dich gut ist und das sogar in Schulgesetze geschrieben haben, gerade selbst restlos überfordert sind – mit einem Corona-Virus.