Zum 75. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des KZ Neuengamme gibt es statt der am 3. Mai geplanten internationalen Gedenkfeier der KZ-Gedenkstätte und der Amicale Internationale KZ Neuengamme wegen der Covid-19-Epidemie vor Ort ein stilles und im Internet ein virtuelles Gedenken, damit an diesen wichtigen Tag erinnert wird!
Das KZ Neuengamme war das größte nationalsozialistische Konzentrationslager in Nordwestdeutschland. Es waren mehr als 100.000 Menschen aus ganz Europa im Hauptlager und in über 85 Außenlagern inhaftiert. Mindestens 42.900 von ihnen kamen ums Leben. Der 3. Mai 1945 bedeutete für die Überlebenden die Befreiung aus der Gewalt der SS und für die Hinterbliebenen die Trauer um jene tausende KZ-Häftlinge, die am selben Tag bei der Bombardierung der KZ-Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbek“ umkamen.
Zum 75. Jahrestag wird es ein stilles Gedenken am Internationalen Mahnmal der KZ-Gedenkstätte Neuengamme mit einer Kranzniederlegung durch Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher, Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und Senator Carsten Brosda. Das Gelände der Gedenkstätte ist öffentlich zugänglich und es ist möglich, am 3. Mai am Internationalen Mahnmal unter Wahrung der epidemiologisch gebotenen Abstandsregeln Zeichen des Gedenkens abzulegen.
Auf der Website der KZ-Gedenkstätte Neuengamme werden ab dem 3. Mai kurze Videobotschaften online zur Verfügung gestellt. Die ursprünglich zu der Gedenkfeier eingeladenen Überlebenden und Angehörige von ehemaligen Häftlingen, aber auch die ursprünglich eingeladenen Rednerinnen und Redner sprechen darüber, was der Jahrestag für sie persönlich bedeutet. HIER geht es zu den Videos.
Carola Veit, Präsidentin der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg: „Wir müssen heute umso mehr an die Schicksale aller NS-Opfer erinnern, wenn wir sehen, wie sehr rechtsextreme Meinungen wieder salonfähig werden und Hetze über die sozialen Medien verbreitet wird. Wir erleben fassungslos, wie Anschläge auf Synagogen passieren und Menschen wegen ihrer politischen Meinung ermordet werden. Das dürfen wir nicht zulassen. Für unser jetziges und künftiges Handeln wird es nur einen Maßstab geben: Gemeinsam gegen das Vergessen und für Freiheit und Demokratie.“
Dr. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg: „Vor 75 Jahren, am 3. Mai 1945, haben britische Truppen die Stadt Hamburg von den nationalsozialistischen Machthabern befreit. Am selben Tag räumte die SS das Konzentrationslager Neuengamme. Für Tausende Häftlinge waren Leid und Schrecken damit aber nicht beendet. Sie wurden auf Todesmärsche geschickt oder auf Schiffe in der Lübecker Bucht gebracht. Mehr als 6.000 Menschen starben, als britische Flugzeuge die Schiffe bombardierten, weil sie auf ihnen deutsche Truppen vermuteten. Es ist wichtig für unsere Demokratie, dass wir die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen wachhalten. Die Erinnerung an die Opfer von Faschismus und Krieg ist eine Mahnung für die Zukunft, ein Zeichen gegen Populismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.“
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien und Vorsitzender des Stiftungsrats der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte: „Den 75. Jahrestag der Befreiung heute so fern voneinander zu begehen, macht mich betroffen. Aber auch, wenn wir uns gerade an verschiedenen Orten der Welt aufhalten, sind wir uns heute ganz nah und gedenken gemeinsam. Dieser Tag darf niemals in Vergessenheit geraten. Auch 75 Jahre nach der Befreiung erleben wir Ressentiments und Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Dem müssen wir uns entgegenstellen! ‚Nie wieder‘ ist ein Auftrag, für den wir alle als offene und demokratische Gesellschaft jeden Tag einstehen müssen.“
Dr. Oliver von Wrochem, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme: „Es ist für uns sehr schmerzhaft, dass wir zum 75. Jahrestag der Befreiung nicht zu einer Gedenkveranstaltung zusammenkommen können. Trotz ihres hohen Alters hatten 14 Überlebende des KZ Neuengamme und seiner Außenlager sowie mehr als 600 Angehörige ehemaliger Häftlinge aus der ganzen Welt ihr Kommen zugesagt. Wir sehen die stattdessen übersandten digitalen Botschaften zum 75. Jahrestag der Befreiung als ein wichtiges Zeichen für die Verbundenheit im Gedenken über nationale Grenzen hinweg. Wir freuen uns darauf, im kommenden Jahr die Internationale Gedenkveranstaltung nachzuholen.“
Dr. Martine Letterie, Präsidentin der AIN und Enkelin eines ehemaligen KZ-Häftlings: „Dieses Jahr würden wir eigentlich in Hamburg 75 Jahre Freiheit gedenken, doch jetzt sind wir gezwungen, zu Hause zu bleiben. Nutzen wir die Zeit, um über unsere Freiheit der letzten 75 Jahre nachzudenken. Dabei können wir feststellen, dass diese nicht selbstverständlich ist. Die wichtigsten Ziele, die die Amicale Internationale KZ Neuengamme sich bei ihrer Gründung gesetzt hat, waren: Erhaltung des Friedens und der europäischen Sicherheit, internationale Entspannung und die Festigung der Völkerfreundschaft sowie der Kampf gegen neonazistische, neofaschistische und revanchistische Umtriebe. Und das ist heute noch genauso wichtig wie damals. Das sollten wir niemals vergessen!“